Freitag, 10. September 2010

FRAU K. und das kleine Bisschen literarischer Größenwahn

Neulich beim Bewerbungsgespräch: Ich hatte mich bei dieser Agentur beworben, die so hip war, dass alles an ihr schon ein wenig übertrieben wirkte. Mein Termin fand mit dem Geschäftsführer, dem stylishsten Schluffi, den ich seit langem gesehen habe, einer sehr sympathisch wirkenden Mitarbeiterin aus dem Bereich PR und der Personalerin Frau K. statt. Ich wähle hier das bewusst distanzierende "Sie", auch wenn in Agenturen wie diesen ohnehin alles geduzt wird, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Denn FRAU K. halte ich mir noch eher vom Hals als S..
Wir saßen kaum, schon fiel die erste, entscheidende Frage. FRAU K. wollte wissen, ob ich nach meinem Weggang von meinem letzten Arbeitgeber denn einen Aufhebungsvertrag unterschrieben hätte. Ich verneinte und wies sie auf die Nachteile, die das für mich bedeutet hätte, hin. Das Gespräch entsponn sich weiter und nahm an Fahrt auf.
FRAU K. sass zu meiner rechten, trug ihr dunkelblondes Haar lang einen braunen, modisch geschnittenen Pullover, farblich passende Stiefel und eine helle, eng anliegende Jeans. Sie ist ungefähr einen halben Kopf kleiner als ich und war ständig um den Eindruck penetranter Professionalität bemüht. Vermutlich war mein Anfangs-Schwinger mit dem Aufhebungsvertrag schon zu viel für sie. Denn FRAU K. holte bald zum entscheidenden Vernichtungsschlag aus. Sie holte Luft und im Nachhinein kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, etwas gepresstes in ihrer Stimme gehört zu haben: "Jetzt stellen Sie sich mal vor, Frau M. ..." Gott sei Dank siezte mich FRAU K. auch, "... sie bekommen von der Firma ein Budget von 3.000 Euro ...." Alles klar, sie will, dass ich ein kleines Event plane! Kann FRAU K. haben! , "... und müssten sich für ein Abendevent mit einem Kunden einkleiden. Welche Marken würden Sie wählen und was würde es kosten?" Ich sass da, hatte keine 300 Euro am Leib und war platt. Die Agentur betreute weder Kunden aus dem Haute Couture-Bereich noch musste man bei ihr andere Vorkenntnisse in Sachen Mode haben. Wenn sie meine Markenaffinität dort testen wollten, habe ich gut abgeschnitten, aber woher zum Teufel soll ich wissen, was die einzelnen Marken kosten, FRAU K.?
Mein restlicher Text trug mich mit Lichtgeschwindigkeit aus der Umlaufbahn von FRAU K., dieser Agentur und einer Festanstellung dort. Drei Fragen später wollten sie mein ohnehin schon bescheiden angesetztes Jahresgehalt drücken. Gott sei Dank hatte ich die Geistesgegenwart besessen und "Dann könnte ich mir aber die Schuhe von meinem Outfit-Vorschlag nicht leisten!" nachzumaulen. Daheim angekommen habe ich gesehen, dass FRAU K. mir um 11:25 Uhr eine Absage gemailt hat. Das Gespräch selbst mit der 3.000 Euro-Frage fand um 14:00 Uhr statt.

Nach solchen erniedrigenden Erlebnissen habe ich immer erstmal das dringende Bedürfnis, in das Lager eines Verlages einzubrechen und den letzten Bestand dieser unsäglichen Bewerbungsratgeber ("In drei Schritten zum Traumjob", "So klappt es mit der Karriere" oder ähnliche, wirklich existierende Titel; die beiden hier hab ich nämlich gerade erfunden) mit Benzin zu übergießen und anzuzünden. Liebe Personalverantwortliche, das geht zu weit! Vor Jahren wurde mir mal eine Bewerbung mit den Worten "Sehr geehrter Herr M., nach gründlicher Prüfung ihrer Bewerbungsunterlagen ..." zurückgeschickt. Damals trug ich die Haare zwar noch etwas kürzer als heute, war aber trotzdem schon FRAU M. und auch als solche eindeutig zu erkennen. Bis heute ist diese ungewollte Geschlechtsumwandlung mein persönlicher Platz 1 bei den erniedrigendsten Erlebnissen rund um die Jobsuche. FRAU K. und ihre Escort-Service Ausstattung für 3.000 Euro haben es aus dem Stand in die Top 3 geschafft. Herzlichen Glückwunsch, Schätzchen!
Warum schreibe ich das hier eigentlich alles nieder? Warum begnüge ich mich nicht mit der Möglichkeit, allen übellaunig von meinen Erlebnissen zu erzählen oder alles bei Facebook zu posten? Nun ja, weil ich es KANN. So, Schluss, aus, basta! Ich habe hier nämlich den Ehrgeiz, diesen Blog völlig subjektiv mit meinen Erlebnissen rund um meine Jobsuche zu füllen. Sperrig, ehrlich, so wie mir der Schnabel gewachsen ist.
Ursprünglich sollte dieser Blog ja meine Erlebnisse als Berufs-Pendlerin wiedergeben. Zwei Jahre lang starb ich fast vor Langeweile in meinem Job, musste mich bemühen, alle anstehenden Aufgaben für eine Arbeitswoche nicht schon mittwochs erledigt zu haben und brauchte dringend eine Möglichkeit, um meine Energien sinnvoll loszuwerden, sonst wäre ich wahrscheinlich geplatzt. Weil ich die neu enstehenden und heiß diskutierten Möglichkeiten eines Blogs ausprobieren wollte, entschloss ich mich als anonyme Pendlerin meine Beobachtungen ins Netz zu stellen, wie auch in einigen Fällen hier realisiert. Tja, und dann gab mein Ex-(Danke, Schicksal!) Chef meinem Blog-Vorhaben einen dramaturgisch höchst interessanten Twist, den ich in Folge 1 versucht habe, darzustellen.
Ich nutze die mir zu meiner Verfügung stehende Zeit gerade auch unter anderem, um mich beruflich fortzubilden. In einem meiner Lehrbücher, die ich mir zu diesem Zweck gekauft hatte, stand, dass Blogs heutzutage viel mehr Informations- und Ratgeber- als Tagebuch- und Erlebnischarakter haben sollen. Hm, Mist! Meine eigentliche Intention, mich hier zu verewigen, entsprang nämlich auch im Grunde meiner gesunden Portion literarischen Größenwahns. Was soll´s? Ich mach hier trotzdem weiter ...

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