Dienstag, 2. November 2010

Der Papa wird´s schon richten

Musikalisch waren die Fronten während meiner Kindheit in den Achtzigern noch klar: Meine Eltern gehörten wie viele ihrer Altersgenossen zu der Generation, die den ersten öffentlich-rechtlichen Radiosender in allen verfügbaren Geräten eingestellt hatten. Punkt. Dieser Fakt war genauso unumstößlich festgeschrieben wie die Tatsache, dass das Böse im Osten lauerte und man konservativ zu wählen hatte. Punkt. Und so entwickelte ich mich auch nach dem Fall der Mauer und den damit einhergehenden Veränderungen um in Stein gemeißelte Grundkonstanten herum: Während meine Eltern auf CSU-Parteitage als Delegierte wirkten, demonstrierte ich für die Freilassung der 90er-Linken-Ikone Mumia Abu-Jamal. Als ich meinen Eltern um die Jahrtausendwende herum eröffnete, dass ich mein Auslandsstudium an der Karls-Universität Prag absolvieren möchte, wurde ich mit „Denk daran, das ist ein Land, in dem ein Menschenleben nichts zählt!“ gen Osten verabschiedet. Und noch heute kann ich Bayern 1 nicht hören, ohne sofort nervös zu werden, weil ich die unterschwellig vermittelte Autorität, mit der ich dieses Programm assoziiere, nicht ohne Weiteres aushalten kann. Aber ihre Plakatwerbung ist lustig.
Ich habe diesen Sender vor allem als Bastion des Status-Quo-Erhalts und der Pflichterfüllung in Erinnerung. Erst später explodierte vor mir förmlich die Erkenntnis, dass ihren Hörern die 60er und 70er-Jahre auch eine ganze Menge Spaß gemacht haben müssen. Das Feuerwerk brannten speziell meine Eltern allerdings nicht vor meinen Augen ab.
Das Radioprogramm bei mir daheim hatte eine Redundanz, die man heute wahrscheinlich in Heimen für schwererziehbare Jugendliche eingeführt hat, um den Kindern beizubringen, wie wichtig Regeln und feste Formen sind. Bei heutigen Sendern, gerade im privaten Bereich vermute ich eine vorher verhandelte Quote, wie oft ein bestimmter Song pro Stunde, pro Tag und pro Woche gespielt werden muss, damit auch der Letzte noch versteht, welche Single gerade nach Ansicht der Plattenindustrie gekauft werden muss. Ähnlich denke ich, muss es in den Achtzigern bei Bayern 1 gewesen sein. Nur, dass sich hier meine völlig unbewiesene, subjektiv empfundene und aus der Luft gegriffene Behauptung auf die ganz großen Klassiker bezieht. Ich spreche von ebenjenen, bei denen ein Dieter Thomas Heck feuchte Augen bekommen hätte. Zum Beispiel „Der Papa wird´s schon richten“ von Peter Alexander.
Kennt jemand dieses Lied nicht? Mein Vater, nie ein Mann großer Worte aber dafür umso diffizilerer und feinerer Gesten, musste immer lächeln, wenn dieser Song gespielt wurde. Der Refrain beinhaltete die Textzeilen:“ Der Papa wird´s schon richten, der Papa macht´s schon gut, der Papa, der macht alles, was sonst keiner gerne tut ...“ Den gedanklichen Weg von Peter Alexanders Vater zu Vater Staat zu beschreiten, fällt mir gerade in diesem Augenblick bei dieser Nachrichtenlage nicht besonders schwer.
Vater Staat erhöht das Taschengeld für Hartz IV Empfänger um fünf Euro und lässt seinen Sorgenkindern gleichzeitig seine autoritäre Dominanz spüren, wenn es darum geht, für welche Dinge das Geld ausgegeben werden darf. Die Diskussion um die mögliche Erhöhung des Satzes für Alkohol und Tabakwaren von bestimmten öffentlichkeitshungrigen Vertretern des Staatsapparates ist viel bitterer als ein doch letzten Endes gut gemeintes „Aber trink nicht so viel, Kind!“ zu Beginn einer langen Club-Nacht. Es hat viel Symbolkraft, wenn eine siebenfache Mutter dem Ministerium für Arbeit und Soziales vorsteht. Denn zu Meta-Mutter Ursula können auch die großen Unternehmen jederzeit, wenn sie was angestellt haben.
Lang lebe Siemens! Vivat ThyssenKrupp! Ein Hoch auf Daimler, auf alle DAX 50, MDAX und TecDax-Unternehmen ein dreifaches „Hipp! Hipp! Hurra!“ Sie sind die Stützen der deutschen Wirtschaft, sie machen Vater Staat stolz und Mutter Ursula erzählt der Nachbarin immer mit leuchtenden Augen von ihnen. Doch, erinnert sich noch jemand an das Gefühl, das man als Kind hatte, weil die vermeintlichen Strahlekinder in Wahrheit immer besonders fies zu Anderen waren? Wie sehr man sie aus tiefster Seele hasste, weil man immer die Strafe aufgebrummt gekriegt hat, die sie selbst eigentlich absitzen mussten? Nicht erst seit meinem Jobverlust erhärtet sich in mir der Eindruck, dass hier gerade große Unternehmen in meiner Familienanalogie den Platz der gemeinen Streber-Petzen einnehmen, die nie die Abreibung bekommen haben, die sie verdient haben. Da wird nach außen hin gestrahlt und geglänzt, als ob die Erbtante zu Besuch käme, die immer besonders nette, strebsame und kluge Kinder zu sehen erwartet. Und nur wenige wagen einen ernsthaften, ehrlichen Blick hinter die Fassade. Denn da würde sich dann ein anderes Bild ergeben:
Uns Deutschen fehlt trotz guter Vorarbeit in Stuttgart oder im Wendtland immer noch das Feuer der Franzosen, wenn es um Demonstrationen geht. Deshalb gehen unsere Nachbarn wegen der geplanten Erhöhung des Rentenalters auf die Straße und wir nicht. Allerdings ist meines Erachtens nach die Klärung der Frage viel dringlicher, wie wir es in Zukunft schaffen, dass gerade die großen Konzerne nicht immer noch in großem Stil ihre Arbeitnehmer an der Grenze zum Rentenalter im großen Stil ausstellen. Oder Stichwort Fachkräftemangel: Wenn alleine die DAX-Konzerne sich endlich ernsthaft für richtig gute Ideen bei der Kinderbetreuung stark machen könnten, würde der Fachkräftemangel sehr schnell kein größeres Problem darstellen. Allen Vorreitern auf diesem Wege ein großes Lob von mir.
Loben will ich auf diesem Weg nochmal Vater Staat, bevor ich zum Ende komme. Ich werde nächste Woche eine Elternzeitvertretung in einer PR-Agentur beginnen. Dort werde ich für acht Wochen einen Vater vertreten und habe mir insgeheim in meinen finstersten Alpträumen schon einen mittelschweren, aber nötigen Papierkrieg ausgemalt. Weit gefehlt! "Rufen Sie einfach bei uns an, wenn es so weit ist.", sagte die nette, kompetente Dame der Telefon-Hotline bei der Agentur für Arbeit. Aufschwung, ich komme!

Dienstag, 26. Oktober 2010

Doch Brutus ist ein ehrenwerter Mann

"Mitbürger, Freunde, Römer! Hört mich an." Heute muss mal eines der größten Genies der Weltliteratur für einen Einstieg herhalten - William Shakespeare. Ich verehre das Werk dieses Mannes mehr, als ich es hier schreiben kann. Was ist ein "Soll ich Dich denn einen Sommertag Dich nennen? Dich, der an Herrlichkeit ihn überglänzt?" gegen "Hallo, ich heiße K.. Bist Du noch Single?". Klar, ich sehe ein: Shakespeare ist nur bedingt ein Maßstab. Allerdings hat K. sich mir am späten Nachmittag auf der Straße im Regen, als ich mit meinem mit Einkäufen überladenem Fahrrad gerade nach Hause steuerte, auch nicht gerade den Oscar für besonderes Einfühlungsvermögen mit seiner Frage verdient. Meine Reaktion war ähnlich direkt, keineswegs lyrisch und auf keinen Fall gemein. Ich habe K. entgeistert angeguckt und danach angefangen, schallend zu lachen."Dem Mai will Sturm die Blütenpracht nicht gönnen. Und Sommers Herrschaft ist so eng begrenzt." , tröstet da der Dichter. Eine wunderschöne Art, sich außerdem über das miese, englische Wetter auszulassen.
Was mir Shakespeare aber richtig sympathisch macht, ist nicht etwa seine Art, Frauen um den Verstand und zu Lebzeiten höchstwahrscheinlich in sein Bett zu schreiben, sondern sein Gespür für gute Geschichten. Zwei Menschen, die sich über alles lieben, aber kein Paar werden können wie in "Romeo und Julia". Ein skrupelloses Paar, das sich an die Macht gemordet hat und später Gerechtigkeit erfährt sowie die schönste, poetischste und gruseligste Darstellung von Waschzwang in der Weltliteratur in "Macbeth". Oder eben die mikroskopisch genaue Beobachtung von sozialen Mechanismen, wenn es um die Beurteilung von Verdiensten bedeutender Menschen geht, wie in "Julius Cäsar", Mitbürger, Freunde, Römer. Gestern und heute, Arktis oder Feuerland - die richtig guten Geschichten der Menschheit werden immer mit den selben Grundelementen erzählt. Und da unterscheidet sich ein heute in der Hochkultur eingeordneter Shakespeare nicht von einem gut gemachten Kinofilm oder einem Groschenroman-Heftchen. Zu Lebzeiten hat der gute Herr nämlich Volkstheater geschrieben - oder sollte ich es lieber Unterschichtentheater nennen? Ein Imagewandel braucht manchmal einfach ein bißchen Zeit.
Das Stichwort Imagewandel bringt mich auch zu einer der atemberaubendsten Stellen in "Julius Cäsar". Ich habe das Drama zum ersten Mal mit Anfang zwanzig in einer Berliner WG-Küche in die Hände bekommen. Vor mir ein Glas billiger Rotwein, neben mir meine Gitarre spielende Mitbewohnerin und links von ihr ein persischer Bekannter, dem ich großartige Erkenntnisse zur morgenländischen Literatur verdanke. Wir haben uns gegenseitig aus verfügbaren Büchern Stellen vorgelesen, die wir schön fanden. Meine Mitbewohnerin drückte mir einen Shakespeare Sammelband in die Hand, in der Musik wäre das ein Best-of-Album, und meinte, ich sollte vorlesen. Und ich tat, wie mir geheißen, las die Rede des Antonius auf Cäsars Beerdigung und genoß die Gänsehaut, die mir dabei über die Arme lief.
Für alle, die das Drama nicht genau kennen, kommt hier eine grobe Zusammenfassung: Cäsar hat die Herrschaftsgrundsätze der römischen Republik außer Kraft gesetzt, sich zum Diktator auf Lebenszeit ernannt, was einem gewissen Brutus nicht passte. Pikanterweise ist dieser Brutus so etwas wie der Ziehsohn von Cäsar gewesen. Im Glauben an seine guten Ideen brachte Brutus Cäsar Mitte März zusammen mit seinen Mitverschwörern um. Als Cäsar seinen Ziehsohn in der Mördergruppe sah, sagt er die geflügelten Worte "Auch Du, Brutus?" und setzt sich angeblich nicht mehr gegen seine Häscher zur Wehr. Cäsar bekommt ein Staatsbegräbnis, Brutus betont zu jeder Gelegenheit, dass er einen machthungrigen Tyrannen umgebracht hat und gibt damit, zumindest laut Shakespeare, die herrschende, öffentliche Meinung vor. Nur einer, nämlich Cäsars Freund Antonius hegt seine Zweifel. Und ist mutig genug, sie auch öffentlich bei seiner Grabrede auf Cäsars Beerdigung kund zu tun. Das wiederum tut er ziemlich geschickt: Schritt für Schritt demontiert er Brutus genüsslich, betont aber immer wieder, wie sehr dieser im Recht sei, denn (Zitat) "Brutus ist ein ehrenwerter Mann".
Die Feststellung, dass ein Gentleman wie Brutus aufgrund seiner Ehrbarkeit gar nicht falsch liegen könne, wird im Laufe der Rede immer mehr zur Farce und hilft Antonius dabei, seinen Freund Cäsar wieder zumindest ein wenig ins rechte Licht zu rücken. Zuerst meint Antonius noch:"Begraben will ich Cäsarn, nicht ihn preisen.", und konstatiert bald darauf ", was Menschen Übles tun, das überlebt sie". Cäsars Übel war - vor allem laut Brutus - seine Herrschsucht. Und Brutus ist ja bekanntlich ein ehrenwerter Mann. Deshalb will Antonius auch auf keinen Fall Brutus widerlegen. Um dann doch durch´s Hintertürchen seine Sicht der Dinge kund zu tun. "Ich spreche hier von dem nur, was ich weiß." Und dieses Wissen ist eine sehr differenzierte, aber letztlich doch positive Darstellung des Ermordeten.
In Bewerbungsratgebern steht der gute und wichtige Hinweis, dass man auf keinen Fall über seinen ehemaligen Arbeitgeber schlecht reden sollte, wenn man beim Bewerbungsgespräch zum Beispiel nach Gründen für das eigene Ausscheiden gefragt wird. Und es kostet mich jedes Mal meinen Jahresvorrat an diplomatischen Verhalten, richtig zu reagieren. Gerade wird meine Geduld auf eine erneute, eisenharte Probe gestellt: Obwohl ich seit einigen Monaten nicht mehr dem Unternehmen angehöre, stellt mein Ex-Arbeitgeber mir kein Zeugnis aus. Dazu habe ich herausgefunden, dass mir die zustehenden, vermögenswirksamen Leistungen seit Mitte 2009 nicht gezahlt wurden. Dazu kommt, dass meinem ehemaligemChef trotz offenkundig dagegen sprechender Fakten das Kunststück gelang, relevante Stellen zu überzeugen, dass ich schlechte Arbeit leiste. Dieses Spiel gipfelte in der Feststellung, dass der Personalchef mir zwar die Tatsache bestätigte, dass mir aus betrieblichen Gründen gekündigt wird, mir aber dann gleichzeitig unterstellte (Zitat) "ein wenig verhaltensbedingte Gründe sind ja auch dabei." Wenn ich also irgendwann ein Zeugnis bekommen sollte, würde es mich sehr überraschen, wenn es gut oder sogar sehr gut ausgefallen ist. Doch Brutus ist ein ehrenwerter Mann.
Gerade vollstreckt, also gewissermaßen erzwingt "mein" Anwalt R. für mich das Zeugnis vor dem Arbeitsgericht. Morgen muss ich einen Termin bei meiner Bank vereinbaren, um mich über die Details der fehlenden Zahlungseingänge kundig zu machen. Doch Brutus ist ein ehrenwerter Mann. Wenn ich dann das Zeugnis in den Händen halte, werde ich es einscannen, und mich zum Beispiel bei einer großen AG im Münchner Norden zu bewerben, die auf ihrer Homepage auf komplette Bewerbungsunterlagen bestehen. Und ich möchte nicht wissen, wie viele Absagen auf wirklich interessante Jobs ich bekommen habe, weil mein aktuelles Zeugnis noch nicht vorliegt. Doch Brutus ist ein ehrenwerter Mann. Ich will, was Brutus sagt, nicht widerlegen. Ich spreche nur von dem hier, was ich weiß. Was Menschen Übles tun, das überlebt sie.
Die Zeit ist also auf meiner Seite ...




um ZwOder ei Mensch
und Sommers Dem Mai will Sturm Herrschaft ist so eng begrenzt.
ill Sturm die Blütenpracht nicht gönnen,
und Sommers Herrschaft ist so eng begrenzt.

Dienstag, 19. Oktober 2010

Sehr geehrter Herr Aufschwung,

mit großem Interesse habe ich erfahren, dass Sie nach Deutschland kommen. Da in den unterschiedlichen Medien Ihr Erscheinen angekündigt wurde, konnte ich mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen und möchte mich im Folgenden bei Ihnen umgehend als Pressesprecherin bewerben. Denn ich gehe davon aus, dass Sie eine erfahrene Fachkraft benötigen, die die unterschiedlichen Ankündigungsmeldungen für Sie koordiniert und mit größtmöglichem, positiven Effekt an die Presse bringt.
Ich bin 32 Jahre alt und seit mittlerweile über sechs Jahren im Kommunikationsgeschäft tätig. Meine Karriere als verwunderter Arbeitnehmer begann, als ich am 14. Februar 2003, dem Tag der Liebenden, meinen Universitätsabschluss erhielt. Ich hatte bisher alles so gemacht, wie es von mir erwartet wurde: Einen Einser-Abschluss innerhalb der Regelstudienzeit erreicht, sechs Praktika, interessante Nebenjobs, ein Semester an einer interessanten Universität im Ausland studiert; damals sprach ich zwei Fremdsprachen wirklich passabel, eine weitere ganz gut und hatte nebenbei die Aufnahmeprüfung zur Journalistenschule beinahe geschafft. Gleichzeitig hatten an den Aktienmärkten der Welt sich Spekulanten an der Aufgabe übernommen, wilde Internet-Firmen mit halbseidenen Konzepten blind und abenteuerlustig zu finanzieren. Aus meiner Kindheit in den Achtzigern weiß ich, dass wir in unseren Kaufläden nicht so verdammt hirnlos waren.
Im Dezember 2003, also ganze zehn Monate später, wurde ich zum ersten Mal begeistert in den Räumen einer Firma als neuer Mitarbeiter begrüßt. Ich hatte zu dem Zeitpunkt bereits unzählige Bewerbungen an die unterschiedlichen Stellen geschrieben und einmal sogar eine Absage, die an einen HERRN M. adressiert war, erhalten. Wie Sie unschwer meinem beigefügten Lebenslauf entnehmen können, bin ich weiblichen Geschlechts. Trotzdem wurde mir im beigefügten Begleitschreiben versichert, man hätte meine Unterlagen (Zitat) "eingehend geprüft". Man nahm sich kurz vor dem Nikolaustag meiner an und fügte mich einem bis heute ständig anwachsenden Heer von Zeitarbeitnehmern hinzu: Jederzeit kündbar, jederzeit anders einsetzbar, mit weniger betrieblichen Mitbestimmungsrechten als Festangestellte. Wenn ich richtig informiert bin, hat die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, bei der ich übrigens Mitglied bin, mittlerweile in vielen Bereichen diesen Mißstand beseitigt. Mein Weg führte mich zu einem großen Autobauer, den ich kommunikativ zum Beispiel mit Newslettern und an einer eigens für Zuliefererbetriebe eingerichtete Hotline dabei unterstütze, die Wareneingangssoftware seiner Werke auf SAP umzustellen. Experten mit SAP-Zertifizierung hätten mich aus Mitleid zum Kaffee eingeladen, wenn sie erfahren hätten, wieviel ich verdiene, wenn ich ihren Job teilweise mit erledige. Aber: ich habe dort gelernt, komplexe Sachzusammenhänge einfach aufzubereiten und verzweifelten Zuliefererbetrieben, die von den Einkäufern des Autobauers schon wieder das Messer auf die Brust gesetzt bekommen haben, damit sie noch billiger produzieren lassen, die Anforderungen für die SAP Software verständlich darzustellen. Aber für mich zählte: Ich war drin, ich war endlich drin.
Sechs Monate später nach der dritten Projektverlängerung, die zuerst nicht sicher war, wechselte ich zu einem Fernsehsender, wo ich nach über einem Jahr Wartezeit endlich offiziell in meine Karriere als Pressefachkraft starten konnte. Ich erhielt einen befristeten Vertrag, verdiente netto so viel wie während meiner Zeit als HiWi eines schusseligen Professors. Nur war mein Dienst an der Wissenschaft ein Teilzeitjob, der sich auf fünfzehn Stunden belief. In meinem Arbeitsvertrag für das PR-Volontariat standen vierzig Stunden. In der Praxis arbeitete ich eine ganze Menge mehr.
Dann nach zwei Jahren die Premiere! Mein Vertrag wurde um weitere zwei Jahre verlängert, was vor mir noch nie einem Volontär gelang. Wie viele Schlachten dafür geschlagen wurden, können Sie sich nicht vorstellen! Ich hatte mittlerweile eine exzellente Ausbildung absolviert, ich wusste über alle Arbeitsvorgänge in der Abteilung bestens bescheid und wurde von allen Ecken und Enden mit Arbeit überhäuft. Aber ich beschwere mich keineswegs. Vorgesetzte und Kollegen waren wirklich sehr zufrieden mit mir. Nachträglich betrachtet war das die schönste Zeit meines bisherigen Erwerbslebens.
Als der Ablauf der zweiten Zwei-Jahres-Frist immer näher rückte, wollte ich einen endlich einen unbefristeten Vertrag haben. Wie heißt es so schön? Never change a winning team. Warum sollte man nicht wenigstens über meine Bitte nachdenken? Schließlich war man ja sehr zufrieden mit mir, wie man mir immer wieder versichert hatte. Und in anderen Abteilungen konnten befristete Verträge ebenfalls in Festanstellungen umgewandelt werden. Leider war mein Vorgesetzter plötzlich gar nicht mehr zufrieden mit meiner Arbeit. "Schließlich muss es doch einen Grund geben, warum Du nicht bleiben kannst." Unsagbar gekränkt suchte ich mir einen neuen Job. Mein Vorgesetzter wurde auch bald - wie heißt es so schön? - "im gegenseitigen, freundlichen Einvernehmen." an die frische Luft gesetzt, als sein drittes Kind gerade unterwegs war. Seit seinem Weggang frage ich mich, ob ich mein Talent zum Verfluchen in irgendeiner Weise zu Geld machen kann.
Die neue Möglichkeit kam grad zur rechten Zeit: Großes, prestigeträchtiges Unternehmen, viel Geld und viele Möglichkeiten, die ich für mich dort gesehen habe. Dass ich in der Vorhölle eines Professors für Arbeitsorganisationspsychologie gelandet war, konnte ich nicht ahnen. Mein ganzes Umfeld war zum Großteil damit beschäftigt, entweder unter Ablaufdefiziten zu leiden, selbst welche zu verursachen oder Beschäftigung vorzutäuschen. Aber am schlimmsten war das Einfügen in ein anderes Raum-Zeit-Verständnis: "Schnell!" hieß nicht "in spätestens einer halben Stunde" sondern "sogar noch innerhalb dieser Woche, wenn Du Glück hast." Meine Ideen zur Ausgestaltung dieser Stelle starben einen langen und qualvollen Tod. Als ich sie zu Grabe getragen hatte, drohte man mir zum ersten Mal mit Rauswurf. Wenige Monate später war es dann soweit. Und wieder versuchte ich es mit Verfluchen und Verwünschen mit bisher unbekanntem Ergebnis.
Ich würde für die Arbeit bei Ihnen, sehr geehrter Herr Aufschwung, umfassende Qualifikationen mitbringen: Ich beherrsche die PR-Klaviatur auf Konzert-Niveau, wie ich in mittlerweile über dreißig Bewerbungsschreiben immer wieder betont habe. Und vor allem bin ich lern- und arbeitswillig wie keine Zweite. Neue Branchen kennenlernen? Auch mal Überstunden schieben, damit das Projekt fertig wird und der Kunde zufrieden ist? Sie können, verehrter Herr Aufschwung, davon ausgehen, dass ich nichts lieber täte als das. Auch Abstriche beim Jahresgehalt machen mir nichts aus. Dafür lieber glücklich, erfüllt, mit Aufgabe.
Den Rest meines Lebenslaufs zieren die üblichen Wegmarken einer qualifizierten Arbeitskraft: Weiterbildungen mindestens einmal im Jahr, Englisch wie Deutsch auf einem hohen, meiner Tätigkeit aber angemessenem Standard. Gut vernetzt in der Medienszene und auch bei den technischen Entwicklungen und Möglichkeiten im Jahr 2010 auf dem neuesten Stand.
Ich würde mich sehr freuen, Sie in einem persönlichen Gespräch zeitnah kennenzulernen. Gerne kann ich Ihnen bei Interesse Terminvorschläge unterbreiten. Im Anhang finden Sie meinen Lebenslauf und Referenzkontakte. Einstweilen verbleibe ich

Mit freundlichen Grüßen

Dienstag, 12. Oktober 2010

Das Leben als TO DO Liste?

Ich finde, es ist höchste Zeit, F. ein Denkmal zu setzen. Ich kenne ihn seit bestimmt zehn Jahren. Von 2004 bis 2008 haben wir ein Büro geteilt und er hat mir eine ganze Menge über den Beruf, den ich heute theoretisch ausübe, beigebracht. Nur wer F. kennt, weiß, was das bedeutet: Die richtigen Fragen und Anmerkungen zur richtigen oder auch mal zur komplett falschen Zeit. Diamantenhart geschliffene Sprachkritik. Immer auf der Suche nach den Absurditäten des Alltags (und der ist weiß Gott voll davon!). Ein Leben in Film-und TV-Universen. Und wenn er lacht, was absurderweise total hell und kichernd klingt, kommen ihm sehr schnell die Tränen. Irgendwann hatte ich beschlossen, F. mit dem chinesischen Titel "Shi Fu" zu versehen. Die deutsche Übersetzung hierfür lautet "Meister", was ich wiederum aus einem zweitklassigen Hongkong-Actionfilm weiß. Allerdings kann für F. auch nur ein zweitklassiger Hongkong-Actioner für Ehrentitel in Frage kommen. Und das ist, wenn man F. kennt, ein Kompliment.
Uns ist es gelungen, unsere Freundschaft auch nach 2008 zu pflegen. Und so saßen wir eines Abends in einem Irish Pub und lösten dort ein Pub Quiz. Das ist ein etwas absurder Brauch aus dem englisch-irischen Raum, bei dem der Wirt einer Kneipe in verschiedenen Runden Fragen beantworten lässt. Das Team mit den meisten richtigen Antworten gewinnt. Was weiß ich nicht, F. und ich haben noch nie gewonnen. Ohne F. würde ich auch hier in Deutschland an keinem Pub Quiz teilnehmen.
F. beobachtet sich und seine Umwelt zu jeder Tages- und Nachtzeit sehr ausführlich. Und so kam es zu einem sehr treffenden Kommentar zu seinem aktuellen Äußeren. F., mittlerweile Anfang vierzig, hatte schon früh fast weiße Haare bekommen. Jetzt sind sie so lang, dass er sie sich im Nacken zusammen binden kann. Diesen Umstand kommentierte er etwas ironisch mit "Na endlich werde ich mein eigenes Klischee! Ein grauer langer Zopf ist etwas, was ich in meinem Leben dringend erreichen wollte."
Schnitt, Rückblende. Einige Monate vor dieser Begebenheit war ich mit meiner Freundin C. in der Lach- und Schießgesellschaft. Dort trat der Kabarettist Claus von Wagner auf. C. und ich haben zusammen mit Claus studiert und wie viele unserer Kommilitonen hat er schon eine eindrucksvolle Karriere hingelegt: Nach unserem nicht gerade vordergründig karriereträchtigen Studium war seine Entscheidung, politischer Kabaretist zu werden, sehr sinnvoll, wie ich finde. Claus reiht sich damit in die Reihe meiner mehr oder weniger berühmten und umtriebigen Kommilitonen ein. Ich kenne Schweden-Korrespondenten und Pressesprecherinnen, weibliche Regierungsräte und Magazin-Entwickler, deren Interviews ich interessiert lese. Mehr und mehr gleichaltrige Bekannte bekommen Kinder. Und ich stehe arbeitslos mittendrin, gucke mir das Treiben kritisch an und frage mich, wie meine Komilitonen wohl an ihr Leben rangehen, wie ich das gestalten soll und ob es so etwas wie ein Geheimrezept dafür gibt.
Abi - erledigt. Studium mit Einser-Durchschnitt - fertig. Karrierestart - letztendlich habe ich einen ganz brauchbaren hingelegt. Und jetzt? Welche biographischen Pflichtstationen muss ich jetzt abarbeiten? Wird jetzt von mir erwartet, dass ich zwei schnuckelige Zwerge in die Welt setze und dann zur Kinder-und-Karriere Mutter werde? Muss ich jetzt ins Vorort-Häuschen aus der Fernsehwerbung? Oder kommt jetzt (endlich?) der große Karriere-Durchbruch? Die eigene Firma? Die Abteilungsleitung? Und was passiert, wenn man diese biographische TO DO-Liste abgearbeitet hat? Nichts mehr oder kommt dann die Belohnung für den Lebens-Fleiß? F. würde mich jetzt erstmal für eine unzulässige Anglizismus-Verwendung maßregeln und irgendwas in Richtung "TO DO-Liste? Wie würde das denn auf Deutsch heißen? Gibt es dafür überhaupt noch ein einziges deutsches Wort? " fragen.
Nein, F., mir fällt zumindest grad keines ein. Das ist auch nicht schlimm, denn ich möchte bei der Vorstellung, meine Lebensstationen abzuarbeiten, am liebsten wegrennen. Dann lieber sein eigenes Klischee werden wie F.! Ich bin neun Jahre jünger als er. Zeit, sich an die Arbeit zu machen.

Sonntag, 19. September 2010

Zeitnutzungs-Sphären und eine Woche voller Sonntage

Letzten Freitag hat mein Freund früher Feierabend gemacht. Und weil unsere Stehlampe im Wohnzimmer schon seit Ewigkeiten kaputt war, schlug er vor, wir sollten doch die Gelegenheit nutzen, um mal zu IKEA zu fahren und eine neue Lampe zu kaufen. Unser Modell war nicht mehr vorrätig, aber wir besitzen jetzt ein hübsches Dekokissen für unser Sofa. Nach unserer Fahrt ins Münchner Umland mussten noch Lebensmittel für´s Abendessen eingekauft werden. Alles was wir uns an diesem Freitag vorgenommen hatten, konnten wir auch erledigen (und mittlerweile steht eine viel hübschere Stehlampe in unserem Wohnzimmer und aus Schweden ist sie auch nicht). Außerdem bin ich auch noch um eine sehr wichtige Erkenntnis reicher, die mich an diesem Freitag allerdings sehr erschreckt hat. Ich bin nämlich mittlerweile in einer anderen, viel langsameren Zeitnutzungs-Sphäre angekommen wie der Mann an meiner Seite.
Wie bereits erwähnt ist mein Freund ein ehemaliger Kollege, in den ich mich verliebt habe. Wir hatten sogar in der selben Abteilung gearbeitet und in Grundzügen unterschieden sich ungefähr zwei Drittel unserer Aufgabenbereiche gar nicht voneinander. Wir waren bzw. er ist bis heute in einem Münchner Medienunternehmen beschäftigt, in dem man wirklich viel Arbeit in kürzester Zeit erledigen muss. Dieser positive Stress, alles zack!zack! wegschaffen zu müssen lag mir sehr und passte gut zu meiner von Grund auf faulen, aufschiebenden Persönlichkeit. Dann wechselte ich zu meinem letzten Arbeitgeber und erlebte das komplette Gegenteil: Von "schnell!schnell!" und "zack!zack!" musste ich mich schmerzvoll verabschieden. Stattdessen sollte meine Hauptbeschäftigung wohl daran bestehen, Arbeitsbelastung vorzugeben. Weil mir das nicht liegt, litt zwei Jahre Höllenqualen, weil ich chronisch unterbeschäftigt war. Am 17. Mai habe ich zum letzten Mal ein Büro betreten. Seit dieser Zeit hatte ich im Grunde schon immer zumindest ein bißchen was zu tun. Ich treibe bis zu fünf Mal die Woche Sport, erledige Hausarbeiten, kümmere mich um Papierkram, poliere meine Fremdsprachen auf, studiere sehr ausführlich online und offline Stellenbörsen und bewerbe mich dementsprechend. Ich probiere viele neue Rezepte aus, arbeite seit neuestem auch ein wenig als eine Art unbezahlte Teilzeit-Praktikantin in einem spannenden Projekt. Aber das Grundproblem ist: Was hier nach viel klingt ist allerdings viel zu wenig, um es in eine Woche zu packen. Die Physiker sagen, Zeit kann sich ausdehnen, ich sage, auch zu erledigende Tätigkeiten können und sollten das. Denn die Zeit, die man übrig hat, wenn man alles erledigt hat, wird schnell zu einem sehr hinterlistigen Gegner.
Vor einiger Zeit gab es einen sehr differenziert geschriebenen Artikel im SPIEGEL. Ich persönlich mag es sehr, wenn dem weit verbreiteten "Sowohl als auch" auf dieser Welt anständig Rechnung getragen wird und dieser Artikel hat dieses Kunststück geschafft. In dem besagten Stück ging es um das Thema Arbeitslosigkeit. Und dem Autor (oder der Autorin? Ich weiß es nicht mehr!) gelang das Kunststück, zwei sehr exemplarische Fälle sehr kunstvoll miteinander zu verbinden. Die eine Beispielsperson kostete die ihr vom Gesetzgeber zugestandenen Rechte voll aus. Die andere versuchte ständig zu arbeiten, aber es klappte nie so richtig und sie war gefangen im "Arm trotz Arbeit"-Universum. Letztgenannte Person wurde mit einem unheimlich treffenden Satz zitiert. Sie hätte sich während ihrer Arbeitslosigkeit gefühlt, als sei ständig Sonntag. Die Kinder waren in der Schule und um 10 Uhr morgens war der Haushalt so weit erledigt, dass sie den ganzen Tag für sich hatte. Schöne Vorstellung, wenn man dieses Gefühl sehnsuchtsvoll in stressigen Situationen vermisst. Nur eine Überdosis davon, eine Woche, einen Monat, ein Quartal oder sogar mehr voller Sonntage macht irgendwann einfach krank im Kopf.
Ich persönlich lernte früh, anstehende Tätigkeiten zu dehnen, zu ziehen und zu strecken und ich bin mittlerweile froh, dass ich bei meinem letzten Arbeitgeber eine Art bezahltes Trainingscamp absolvieren durfte, in denen ich von meinem extrem hohen Erledigungs-Level in einem Medienbetrieb auf mein extrem niedriges Level langsam und bei vollem Lohnausgleich hinunterreduziert wurde. In mikroskopisch kleinen Schritten verlangsamte sich im Laufe der Jahre mein ganzes Sein, bis es dann irgendwann auf einer anderen Zeitschiene wie das meines Freundes ablief, was mir beim oben genannten IKEA-Besuch eindrucksvoll vor Augen geführt wurde. Mittlerweile, im dritten Monat Arbeitslosigkeit ist die freie Zeit zu meinem Feind geworden. Ganz egal, was ich tue, sie ist immer stärker und mächtiger als ich.
Mein Sportprogramm ist mein erster Anker, der mich oft in den Tag hineinziehen kann. Denn wenn ich nach dem Frühstück zum Beispiel erstmal mein Lauftraining absolvieren kann, habe ich vor dem Mittagessen schon etwas geschafft. Danach geht es darum, die anstehenden Erledigungen abzuarbeiten - eigentlich gar nicht so schwer. Ich hatte mir früher in Zeitnot oft gewünscht, jedem meiner TO-DO-Punkte ein bißchen mehr Aufmerksamkeit widmen zu können. Mittlerweile hat sich das ins Gegenteil verkehrt: Ich hasse sie! Jeder einzelne Punkt geht mir nur auf die Nerven!
Wenn ich einkaufen muss, hetze ich nicht kurz vor Feierabend in den Supermarkt, sondern muss schon den Weg dorthin künstlich verlängern. Deshalb schlendere ich und mein Freund rennt. Ich zähle schon nicht mehr nach, wie oft ich am Computer mein Mailprogramm oder Facebook aufrufe, es würde mich nur unnötig frustrieren. Am allerschlimmsten sind die Tage, in denen ich nicht um acht aus dem Bett komme. Warum sollte ich überhaupt aufstehen? Wen interessiert es, ob ich bis mittags im Bett bleibe? Wen interessiert es, ob ich überhaupt irgendwas in den vor mir liegenden Stunden erledigt habe? Die wenigen Punkte, mit denen man seinen Tag verbringen könnte, bleiben auch liegen. Denn, wen interessiert es, ob ich heute oder morgen die schmutzigen Fenster putze, heute oder morgen den wichtigen Anruf erledige und so weiter und so weiter ...
Meine Erkenntnis, die ich hier gewonnen habe? Unterforderung ist Folter und eine passende Beschäftigung gibt den Menschen Würde. Mit angespannten, blank gescheuerten Nerven warte ich, was noch kommt. Einstweilen vergeht die Zeit.

Freitag, 10. September 2010

FRAU K. und das kleine Bisschen literarischer Größenwahn

Neulich beim Bewerbungsgespräch: Ich hatte mich bei dieser Agentur beworben, die so hip war, dass alles an ihr schon ein wenig übertrieben wirkte. Mein Termin fand mit dem Geschäftsführer, dem stylishsten Schluffi, den ich seit langem gesehen habe, einer sehr sympathisch wirkenden Mitarbeiterin aus dem Bereich PR und der Personalerin Frau K. statt. Ich wähle hier das bewusst distanzierende "Sie", auch wenn in Agenturen wie diesen ohnehin alles geduzt wird, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Denn FRAU K. halte ich mir noch eher vom Hals als S..
Wir saßen kaum, schon fiel die erste, entscheidende Frage. FRAU K. wollte wissen, ob ich nach meinem Weggang von meinem letzten Arbeitgeber denn einen Aufhebungsvertrag unterschrieben hätte. Ich verneinte und wies sie auf die Nachteile, die das für mich bedeutet hätte, hin. Das Gespräch entsponn sich weiter und nahm an Fahrt auf.
FRAU K. sass zu meiner rechten, trug ihr dunkelblondes Haar lang einen braunen, modisch geschnittenen Pullover, farblich passende Stiefel und eine helle, eng anliegende Jeans. Sie ist ungefähr einen halben Kopf kleiner als ich und war ständig um den Eindruck penetranter Professionalität bemüht. Vermutlich war mein Anfangs-Schwinger mit dem Aufhebungsvertrag schon zu viel für sie. Denn FRAU K. holte bald zum entscheidenden Vernichtungsschlag aus. Sie holte Luft und im Nachhinein kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, etwas gepresstes in ihrer Stimme gehört zu haben: "Jetzt stellen Sie sich mal vor, Frau M. ..." Gott sei Dank siezte mich FRAU K. auch, "... sie bekommen von der Firma ein Budget von 3.000 Euro ...." Alles klar, sie will, dass ich ein kleines Event plane! Kann FRAU K. haben! , "... und müssten sich für ein Abendevent mit einem Kunden einkleiden. Welche Marken würden Sie wählen und was würde es kosten?" Ich sass da, hatte keine 300 Euro am Leib und war platt. Die Agentur betreute weder Kunden aus dem Haute Couture-Bereich noch musste man bei ihr andere Vorkenntnisse in Sachen Mode haben. Wenn sie meine Markenaffinität dort testen wollten, habe ich gut abgeschnitten, aber woher zum Teufel soll ich wissen, was die einzelnen Marken kosten, FRAU K.?
Mein restlicher Text trug mich mit Lichtgeschwindigkeit aus der Umlaufbahn von FRAU K., dieser Agentur und einer Festanstellung dort. Drei Fragen später wollten sie mein ohnehin schon bescheiden angesetztes Jahresgehalt drücken. Gott sei Dank hatte ich die Geistesgegenwart besessen und "Dann könnte ich mir aber die Schuhe von meinem Outfit-Vorschlag nicht leisten!" nachzumaulen. Daheim angekommen habe ich gesehen, dass FRAU K. mir um 11:25 Uhr eine Absage gemailt hat. Das Gespräch selbst mit der 3.000 Euro-Frage fand um 14:00 Uhr statt.

Nach solchen erniedrigenden Erlebnissen habe ich immer erstmal das dringende Bedürfnis, in das Lager eines Verlages einzubrechen und den letzten Bestand dieser unsäglichen Bewerbungsratgeber ("In drei Schritten zum Traumjob", "So klappt es mit der Karriere" oder ähnliche, wirklich existierende Titel; die beiden hier hab ich nämlich gerade erfunden) mit Benzin zu übergießen und anzuzünden. Liebe Personalverantwortliche, das geht zu weit! Vor Jahren wurde mir mal eine Bewerbung mit den Worten "Sehr geehrter Herr M., nach gründlicher Prüfung ihrer Bewerbungsunterlagen ..." zurückgeschickt. Damals trug ich die Haare zwar noch etwas kürzer als heute, war aber trotzdem schon FRAU M. und auch als solche eindeutig zu erkennen. Bis heute ist diese ungewollte Geschlechtsumwandlung mein persönlicher Platz 1 bei den erniedrigendsten Erlebnissen rund um die Jobsuche. FRAU K. und ihre Escort-Service Ausstattung für 3.000 Euro haben es aus dem Stand in die Top 3 geschafft. Herzlichen Glückwunsch, Schätzchen!
Warum schreibe ich das hier eigentlich alles nieder? Warum begnüge ich mich nicht mit der Möglichkeit, allen übellaunig von meinen Erlebnissen zu erzählen oder alles bei Facebook zu posten? Nun ja, weil ich es KANN. So, Schluss, aus, basta! Ich habe hier nämlich den Ehrgeiz, diesen Blog völlig subjektiv mit meinen Erlebnissen rund um meine Jobsuche zu füllen. Sperrig, ehrlich, so wie mir der Schnabel gewachsen ist.
Ursprünglich sollte dieser Blog ja meine Erlebnisse als Berufs-Pendlerin wiedergeben. Zwei Jahre lang starb ich fast vor Langeweile in meinem Job, musste mich bemühen, alle anstehenden Aufgaben für eine Arbeitswoche nicht schon mittwochs erledigt zu haben und brauchte dringend eine Möglichkeit, um meine Energien sinnvoll loszuwerden, sonst wäre ich wahrscheinlich geplatzt. Weil ich die neu enstehenden und heiß diskutierten Möglichkeiten eines Blogs ausprobieren wollte, entschloss ich mich als anonyme Pendlerin meine Beobachtungen ins Netz zu stellen, wie auch in einigen Fällen hier realisiert. Tja, und dann gab mein Ex-(Danke, Schicksal!) Chef meinem Blog-Vorhaben einen dramaturgisch höchst interessanten Twist, den ich in Folge 1 versucht habe, darzustellen.
Ich nutze die mir zu meiner Verfügung stehende Zeit gerade auch unter anderem, um mich beruflich fortzubilden. In einem meiner Lehrbücher, die ich mir zu diesem Zweck gekauft hatte, stand, dass Blogs heutzutage viel mehr Informations- und Ratgeber- als Tagebuch- und Erlebnischarakter haben sollen. Hm, Mist! Meine eigentliche Intention, mich hier zu verewigen, entsprang nämlich auch im Grunde meiner gesunden Portion literarischen Größenwahns. Was soll´s? Ich mach hier trotzdem weiter ...

Montag, 2. August 2010

Die spätrömische Dekadenz ist tot

Immer wenn ich Archäologen kennen lerne, geht für mich ein kleines bisschen die Sonne auf. Ich kenne zwar nicht wirklich genug, um repräsentative Aussagen über diesen Berufsstand zu treffen, aber meine drei Referenz-Personen strahlen eine besondere Aura aus: Gebildet, belesen und herrlich un-trendy. Wenn andere sich Sorgen machen, dass sie mit Album-Downloads von Janellé Monaé im Auge des künstlich hochgejubelten Beliebigkeits-Massengeschmacks sind, gehen sie zu Händel-Festspielen. Während rund 90 % der deutschen Bevölkerung ihrer Nationalmannschaft in Südafrika stammesgleich bemalt und Vuvuzela-trötend beisteht, freuen sie sich darüber, wie ruhig es auf den Straßen ist und enttarnen sich wenig später durch selbstbewußt hervorgebrachte Kommentare, wie herzlich wenig sie von Fußball verstehen. Schnurz! Egal! Jacke wie Hose! Die dürfen das! Denn zu unzähligen Gelegenheiten haben die drei Referenz-Archäologen es schon großartig verstanden, ebenso großartige nahe- wie auch etwas ferner liegende Erkenntnisse zu verschaffen.
M. arbeitet gerade in Ägypten bei einer Ausgrabung mit und ist in unregelmäßigen Abständen hier in München. Er ist einige Jahre jünger als ich und strahlt trotzdem schon jetzt die ruhige Weisheit seines Berufsstandes aus. Wenn andere laut diskutierend gerade die Gruppenmeinung zum besten zu geben glauben oder besonders witzig und unterhaltsam sein wollen, habe ich M. schon oft dabei beobachtet, wie er die Disputanten einfach nur anguckt und mir vorgestellt, wie er sich in seinem geistigen Auge ein Gesamtbild von uns anfertigt, das, dem Da Vinci Fresko vom letzten Abendmahl nicht unähnlich, auf seine Art für die Ewigkeit Bestand haben soll. Manchmal platziert M. Wortmeldungen und die sind immer besonnen und wohlüberlegt. So zum Beispiel neulich, als wir hochemotional erst das fatale Volksbegehren zum Zigarettenrauch in öffentlichen Räumen erörterten und dann zu den Verfehlungen der Bundespolitik im Einzelnen kamen. Leider kommt man dabei nicht am amtierenden Außenminister vorbei, der die Würde seines Amtes komplett ignorierend, vor einiger Zeit mit dem entsetzlichen Ausspruch von der "spätrömischen Dekadenz" sich ins kollektive Gedächtnis gedrängt hat. M. repetierte daraufhin das, was wir alle schon in Geschichte gelernt, aber längst wieder vergessen hatten: In der spätrömischen Periode war das Christentum schon so weit im Römischen Reich verbreitet, dass von Dekadenz längst keine Rede mehr sein konnnte.
Trotzdem oder gerade deshalb möchte ich mir hier noch mal die populistische Annahme des Herrn Westerwelle zur Brust nehmen und für alle, die es noch nicht selbst erfahren haben, den Umgang eines frisch gebackenen Arbeitslosen mit der eigenen finanziellen Situation so gut es mir möglich ist, beschreiben. Ich schränke deshalb meine Aussage ein, weil ich keine Kinder habe, keine langfristigen finanziellen Verpflichtungen wie Wohneigentum oder ähnliches zu bedienen habe, und ich im Vergleich zu vielen anderen Arbeitslosen früher wirklich gut verdient habe.
Am schlimmsten ist der Anfang. Ich hatte mein letztes Gehalt bezogen und wußte ungefähr sechs Wochen nicht, woher mein nächstes Geld kommen sollte. Wer wie ich auf Wiedereinstellung klagt, ist juristisch gesehen noch nicht ganz arbeitslos. Am Tag, als ich die Kündigung in der Hand hielt, musste ich mich trotzdem bei der Agentur für Arbeit melden und ein Prozess lief an, der mir eine Frist setzte, bis zu der mein Arbeitgeber die so genannte Arbeitsbescheinigung ausgefüllt an die Agentur für Arbeit übermittelt haben sollte. Tja, und mein Arbeitgeber ließ diese Frist erst mal prompt verstreichen. Ich selbst strich einstweilen meine Ausgaben rigoros zusammen:
Laufende Versicherungen kann man gewissermaßen einfrieren, Verträge kann man kündigen, Haushaltsgeld kann sehr stark gestreckt werden, doch irgendwann kam ich an den Punkt, wo es begann, wehzutun: Ich hatte mir bisher, egal wie meine finanzielle Situation war, immer die Mitgliedschaft für ein Fitness-Studio und ein Abonnement der Zeitschrift SPIEGEL geleistet. Mit einem Kloß im Hals entschloss ich mich, den Hamburgern meine Gefolgschaft aufzukündigen und beendete einen Vertrag, der schon seit meinem Grundstudium lief. (Den Vertrag für das Fitness-Studio ließ ich weiterlaufen, schließlich liegt dort unter anderem DER SPIEGEL aus). Ich ass nicht mehr auswärts, beim wenigen Weggehen gab´s nur noch hin und wieder ein Bier und wehmütig verkniff ich mir mein heißgeliebtes Kino.
Wie bereits mehrfach betont, sind meine Fragen hier echte Luxus-Probleme. Trotzdem ist es mir wichtig, an diesen Beispielen zu vermitteln, vor welchen finanziellen Fragen man auch als gut ausgebildete Fachkraft ohne Kinder und laufender Hypothek steht. Den Gürtel enger schnallen an sich ist für mich kein Problem, mein SPIEGEL-Abo zu kündigen, das mich so lange Jahre begleitet hatte, war machbar, aber schön ist echt anders, Herr Westerwelle! Und wenn mich Lusche schon mein SPIEGEL-Abo Herzblut kostet, wieviel Respekt muss man dann eigentlich zum Beispiel vor vielen alleinerziehenden Müttern auf Hartz IV haben, die es auch irgendwie schaffen, durch den Tag zu kommen? Vielleicht gibt´s ja irgendwo noch einen geheimen Sonderetat in der Schatulle des Guido W., denn ein solcher populistischer Blödsinn sollte ihn eigentlich Wiedergutmachung kosten. Das Geld könnte man bestens zum Beispiel für bezahlbare Kinderbetreuung nutzen, um bei den alleinerziehenden Müttern zu bleiben.
Am Ende wird, wie so oft, alles doch wieder gut. Ich bekam eine Mail aus Hamburg, in der mir ein lukratives Angebot von der Abteilung Kündigungsmanagement gemacht wurde, wenn ich mich gleich für einen neuen Vertrag entscheide. Das Abo ist tot, lang lebe das Abo! Ich weiß jetzt, welche Versicherungen eigentlich unnötig sind und gekündigt werden müssen. Und dieser Blog ist die letzte offizielle Verwendung der Wörter "spätrömisch" und "Dekadenz". Der Ausspruch wird hiermit für tot erklärt (Zeitpunkt des Todes 15:18 Uhr). In den diesjährigen Jahresrückblicken darf nochmal an sie erinnert werden.

Dienstag, 20. Juli 2010

Karma-Kant, Gerechtigkeit und andere Luxusprobleme

Doch, doch: Das Leben war eigentlich schon immer gerecht zu mir. Ich war mir dessen schon mit Eintritt in die Pubertät bewußt: Die Tatsache, dass ich innerhalb von zwei Jahren vierzig Zentimeter gewachsen war, machte mich damals Anfang der neunziger Jahre zu einem Wesen, das noch Arme und Beine sortierte, als die anderen schon mit den hübschen Jungs tanzten. Äußerst gerecht finde ich auch die Tatsache, dass meine Mutter wohl eine Affäre mit einem Yeti hatte, die sie mir bis heute verschweigt. Wie sonst ließe sich mein übernatürlich dichter Haarwuchs im Gesicht erklären, der mit viel Mühe zu etwas Augenbrauen-ähnlichen gezupft, gewaxt und gezogen wurde? Hey, ich will mich nicht beschweren, andere brauchen Augenbrauenstifte! Diese Ausgabe kann ich mir glatt sparen. Überhaupt, meine Haare: Die Exemplare, die ich auf dem Kopf habe, sind so eigenwillig, dass sie sogar einen eigenen Job haben.
Zum Stichwort Job: Ich finde es auch echt gerecht, dass ich nach dem prestigeträchtigen Studium der Politikwissenschaften einen absolut krisensicheren Job habe, der mir pro Monat Geld wie Heu einbringt. Und ich habe noch gar nicht erwähnt, dass ich mich innerhalb meiner Profession auf einen rekordverdächtig speziellen Spezialbereich spezialisiert habe, der mich zu einem hochdotierten, vielgefragten Experten macht, der ungefähr so selten anzutreffen ist wie schwule Friseure im Glockenbach-Viertel. Danke Schicksal, echt nett von Dir!
Bin ich eigentlich selbst gerecht, wenn ich hier mal ein wenig vor mich hinjammere? Gibt es in der Philosophie oder in den großen Weltreligionen Hinweise, die mich auf ewig aus der erlauchten Gruppe der Gerechten verbannen, wenn ich hier rumnöle wie ein altes Waschweib? Was ist eigentlich wirklich gerecht? Vielleicht hilft mir ja die Rekapitulation meiner eigenen Situation bei der Beantwortung der Frage.
Ende April wurde ich in das Büro des Personalchefs meines Ex-Arbeitgebers gerufen, wo mir meine schriftliche Kündigung ausgehändigt wurde. Als ich - es war gegen 10 Uhr morgens - so in diesem Erdgeschoßbüro stand, hatte ich erstens einen Mordskater, zweitens gerade eine Einladung zu einem Bewerbungsgespräch bekommen und drittens gelang es mir, meinen Fachabteilungsleiter während des ganzen Vorganges keines Blickes zu würdigen. Macht nach meinem Gerechtigkeitsempfinden 3:0 für mich: der Kater zeigte, dass ich noch nicht völlig vertrocknet und langweilig war, die Einladung zum Bewerbungsgespräch war für einen Abteilungsleiterposten und meinen Ex-Chef und sein seltsames Universum kann man am besten strafen, indem man es nicht beachtet.
Vielfach für ungerecht befunden wurde allerdings die Art und Weise, wie man mich aus dem Unternehmen befördert hat: keine Sozialauswahl, fadenscheinige Vorschübe in Richtung betriebsbedingter Personaleinsparung und als Krönung noch scheinheilige Auslassungen über die vermeintlich mangelhafte Qualität meiner Arbeit, die man auf Nachfrage auf meine (Zitat) "hohe Visibilität am Flur" oder auf meinen exorbitant hohen Redezeitanteil bei Meetings zurückführte. Das letzte Urteil wurde übrigens von einer Person gefällt, die sich bestens mit enorm hohen Redezeitanteilen auskennt. Ist das gerecht? Finde ich nicht. Und hier der aktuelle Zwischenstand: Ich 3, Schicksal 5! Danke! Bitte! Zur Halbzeit lag ich hinten, ich brauchte professionelle Hilfe.
In dieser Art Match kann man als Arbeitnehmer sein Team gottlob um beliebig viele Mitspieler erweitern und so wechselte ich als erstes zwei Betriebsräte ein. Herr H., ein älteres, berlinerndes Gewerkschaftsschlachtross und C., eine attraktive Mitt-Dreißigerin mit einem völlig faszinierenden Kleidungsstil übernahmen eigentlich das, was im übertragenen Sinne Trainer bei Boxkämpfen machen (und genau wie bei einem Boxkampf fühlte ich mich Ende April): Immer wenn ich in der Ecke des Ringes saß, gab´s Luft mit dem Handtuch, eine kleine Nackenmassage, einen Schluck Wasser und dann musste ich wieder zurück.
Das nächste Mal hob ich die Einwechseltafel, als R., ein Bekannter und von Beruf Anwalt, ins Match geschickt werden musste. (Und nein, ich finde es gar nicht ungerecht, dass R. wie alle anderen Vertreter seines Standes so viel Geld verdienen. Bescheiden wie ich bin, habe ich die Juristerei nur im Nebenfach studiert. Das genügte mir.) R. erhob Kündigungsschutzklage und das Match um Gerechtigkeit ging in die entscheidende Phase. Ich konnte mittlerweile wieder Boden gut machen, ich hatte, im Nachhinein betrachtet, Gleichstand erzielt. Jetzt galt es, den entscheidenden Anschlusstreffer zu machen, damit mir Gerechtigkeit wiederfahren möge.
Irgendwann im Kindergarten, vor allem wenn man wie ich in einer konfessionellen Einrichtung war, lernt man den schönen Spruch:"Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem andern zu." Jahre später diente mir dieser Sinnspruch als Eselsbrücke, um den kategorischen Imperativ von Immanuel Kant zum Verständnis vorzubereiten. Übrigens störte es mich damals in der Uni nicht im geringsten, dass gerade mir die Herleitung des kategorischen Imperativs als Referatsthema aufs Auge gedrückt wurde. Wer will schon verstehen, worüber er redet? Ich in diesem Fall wollte das doch gar nicht!
Der Königsberger stellte also vor ziemlich langer Zeit die Handlungsanweisung auf: "Handle stets so, dass die Maxime deines eigenen Handelns stets zum allgemeingültigen Gesetz werden könnte." Wenn man das tut, ist man ein gerechter Mensch. Sagt Kant. Nein, es nervt mich auch nicht, dass er das so kompliziert machen musste.
Vor einigen Wochen erreichte mich ein Anruf von R.. Wir hatten eine Einigung erzielt, sein letztes Gespräch mit Vertretern meines Ex-Arbeitgebers war positiv verlaufen. Wir konnten über Flanke spielen, R. war mein Stürmer und brachte uns mit dem entscheidenden Tor in Führung. Wir hatten uns Ziele gesetzt und diese hatten wir erreichen können. Ich bin jetzt zwar meinen alten Job los, meine Kündigung habe ich mir allerdings mit R.s Hilfe großzügig entlohnen lassen. Aber ist das denn jetzt gerecht im Kantschen Sinne? Oder eher ein moralphilosophischer Phyrrus-Sieg?
Momentan muss ich mich mit Geldanlage-Strategien beschäftigen und ich tue das wirklich gerne, weil ich das für ein wundervolles Luxus-Problem meinerseits halte. Weil ich mehr dem Urteil meiner Freunde und Bekannten vertraue als bunten Werbezetteln und vollmundigen Beteuerungen von Anlageberatern, habe ich vor kurzem nacheinander alle, dessen Rat ich benötigte, per SMS um Anlageempfehlungen gebeten: "Was würdet Ihr tun, wenn Ihr Betrag X zur Verfügung hättet und ihn anlegen könntet?" schickte ich in die Runde. Die originellste, witzigste und ehrlichste Antwort bei der aktuellen Zinslage kam von A.:"Ein neues ibook und vier Wochen Australien". Schmunzelnd las ich die SMS und mir wurde klar: Meine eigene Gerechtigkeitstheorie trifft in diesem Fall wohl am meisten zu: Wer selbst im Kantschen Sinne ein gerechter Mensch ist bekommt gutes Karma, wozu ich gute Freunde mit aufmunternden Mobilfunkbotschaften definitiv zählen möchte. Diejenigen, die Karma-Kant nicht ernst nehmen, wird irgendwann ihr gerechtes Schicksal ereilen. Und nein, es stört mich wirklich nicht, dass man sich dafür in Geduld üben muss.

Montag, 12. Juli 2010

Aus der Sonne!

Sie waren zu sechst, sie trugen Springer-Stiefel, gelbe Iros, karierte Miniröcke - Punk-Outfit total eben. Alle miteinander fläzten sich auf die Sitze in der U-Bahn, ihre Bierrülpser unterdrückten sie nicht. Der mitgebrachte Ghetto-Blaster war so laut, dass wirklich alle, auch die manchmal selig lächelnden alleinreisenden Alten im gesamten U-Bahn-Waggon etwas davon hatten.
Welche Reaktion auf ihre Mitreisenden wäre jetzt von dieser Truppe zu erwarten? Das Gehirn eines Menschen kann blitzschnell auf neue Situationen eingehen, indem es in Millisekunden die einströmenden Eindrücke mit bereits bekannten Erfahrungen vergleicht. Ich dachte also daran, gleich einen "Strassenfeger" angeboten zu bekommen - doch halt! - die Zeitschrift gibt es ja in München nicht. "Haste´n bisschen Kleingeld?" war die Mutter aller Klischee-Fragen, die ich nach abgeschlossenen Lokalisierungsgedanken ("Strassenfeger gibt´s nur in Berlin. Hier ist München") als nächstes meinen Protagonisten in den Mund geschoben hätte. Doch ich bin nicht Regisseur, sondern Chronist. Und außerdem blieb die bunte Truppe sitzen und stieg nicht am Sendlinger Tor aus, den ich für die angesagteste Schnorrer-Location halte. Weil sie so garnicht zu meinen Klischees, Vorurteilen und Annahmen passen wollten, wurden die Punks immer interessanter für mich. Ich stellte mich also in Hörweite und kam gerade recht, als ein Mädchen, das eine Hälfte ihres Kopfes vollkommen kahlrasiert und die Haare auf der anderen Seite lang trug, sagte: "Und wenn ich dann das Abi habe, kack ich denen auf den Tisch!"
Warum sie die Erlangung der Hochschulreife zu Protestzwecken nutzen wollte, die schon vor über vierzig Jahren bei Richtertischen angewendet wurden, erschloss sich mir zwar nicht direkt sofort. Allerdings beruhigte mich, dass der Spruch "Punk´s not dead, it just looks different." immer noch gilt. Exzentrik, Anderssein hat schon immer provoziert. Und obwohl wir eigentlich seit den neunziger Jahren in "Anything goes"-Zeiten leben (wie sonst hätten wir Musikrichtungen wie Eurodance ertragen?), ist vielleicht ein Punk-Mädchen mit Hochschulreife immer noch ein klein wenig Provokation. Hoffentlich schreibt sie sich nach ihrem Abitur an der Uni für Neueste Geschichte ein und promoviert über "Protestmethoden 68 - vom Terz zum Terror" oder ähnlichem. Mit einer insgeheimen Bewunderung für ihre Exzentrik stieg ich an meiner Heimathaltestelle aus dem Waggon. Auch mir fallen mindestens zwei Menschen ein, denen ich 2010 am liebsten auf den Tisch gekackt hätte. Alternativ hätte es auch ein "Halt´s Maul, Du dummes Arschloch!" in unglaublicher Lautstärke getan.
Aber ob zur Seelenreinigung oder zur Manifestation des eigenen Individualismus: Man muss weder Menschen beschimpfen noch Tische besudeln, um exzentrisch zu sein. Eine meiner Lieblingsfiguren aus der Geschichte des antiken Griechenlands, der Philosoph Diogenes von Sinope, hat das bewiesen. Dazu kann man an ihm noch einen wichtigen Zusatz nachweisen: Der Exzentrische pflegt seine Exzentrik immer aus dem tiefen Wunsch heraus, seine Umwelt nach eigenen Wünschen zu gestalten, um sich selbst treu bleiben zu können. Wie viel öffentliche Verwunderung es doch kosten möge.
Wie verschroben Diogenes wirklich war, können wir nicht mehr feststellen. Aber sein Image und die ihm zugeschriebenen Anekdoten haben die Jahrtausende überdauert. Ob mit Laterne auf dem Marktplatz oder im Zwiegespräch mit Alexander dem Großen, Diogenes zog nicht nur sein Ding durch, sondern begründete auch - quasi nebenbei - daraus eine philosophische Stilrichtung; die Kyniker. Und so tröste ich Exzentrik-Bewunderin mich mit einer ganzen Reihe von Erkenntnissen für meine aktuelle Situation, wenn mich nicht gerade die Verzweiflung aber doch die Nachdenklichkeit packt:
Erstens kann Arbeitslosigkeit Provokation sein. Ich konnte den gebremsten Menschenschlag, der immer nur Erwartungen erfüllt hat, noch nie wirklich leiden. Gerade bei ihnen findet man aber viele Exemplare, die es beruflich weit gebracht haben. Wie viel Freude es mir macht, solchen Leuten auf die Frage "Und, was machst Du so beruflich?" "Ich? Nix." zu antworten, kann man sich vorstellen. Die ratlosen Gesichter danach sind ein einziger Genuss.
Zweitens ermahnt Arbeitslosigkeit zu Bedürfnislosigkeit und Autarkie. ALG I, wie es so schön im Beamtendeutsch heißt, bezieht man für ein Kalenderjahr. Spätestens dann muss man seine eigenen Dinge geregelt haben. Und die Tatsache, dass man eben nicht seinen vollen, letzten Lohn bezieht, erzieht zu Bedürfnislosigkeit oder viel eher zu einem gesunden Maß von Wünschen und Warten. Denn meine jetzigen Bezüge sind so hoch wie der HartzIV-Regelsatz für eine vierköpfige Familie - warum sollte ich mich dann beschweren? Bleibt noch die freie Rede und der Kosmopolitismus für die Vervollkommnung der Ideale des Diogenes. Beide Punkte kann ich auch erfüllen: Gestern habe ich als EU-Bürgerin und Kosmopolitin der spanischen Fußball-Nationalmannschaft die Daumen gedrückt, obwohl sie das deutsche Team besiegt haben. Und die freie Rede konnte ich erst vor einigen Wochen in einem Rhetorikkurs üben. Genug gesagt, jetzt geht mir bitte ein wenig aus der Sonne!

Donnerstag, 8. Juli 2010

Aristoteles, es reicht langsam!

Alle großen Weltreligionen wollen uns auf ihre Art ihr Konzept vom großen Glück erklären. Der Christenmensch findet sein Glück, indem er sich an der Selbstlosigkeit Jesu Christi orientiert. Der ernsthafte Buddhist nimmt das mit der -losigkeit gleich auf mehrfache Weise ernst und bringt uns zum Beispiel Emotions- und Bedürfnislosigkeit nahe. Laut Aristoteles, um jetzt mal zu den Philosophen zu schwenken, liegt das Glück des Menschen nicht in der Erfüllung seiner inneren und äußeren Bedürfnisse, sondern in der möglichst korrekten Ausübung einer praktischen oder theoretischen Vernunftstätigkeit eingebettet in seine Menschengemeinschaft. Er hat also ziemlich gut erklärt, warum es Menschen in wohlhabenden Konsumgesellschaften schlecht gehen kann; wenn jemand reich ist und trotzdem kreuzunglücklich.
Mein Aristoteles stört seit heute mittag mal wieder meinen persönlichen Buddha bei der Erlangung allumfassender -losigkeit. Ich wollte dieses besondere Ziel heute mal anpacken und mit Bewegungslosigkeit auf dem Liegestuhl anfangen. Immerhin habe ich zwei Stunden durchgehalten, die aber für den indischen Religions-Prinzen wahrscheinlich nicht zählen, denn ich hörte Musik und las die Zeitschrift NEON. Das Wetter war herrlich. Der alte Grieche zwang mich dazu, wenigstens die Wohnung zu staubsaugen. In einer halben Stunde gehe ich mit Ari, wie ich ihn manchmal nennen darf, einkaufen. Mein rechtes Knie schmerzt, weil ich Aristoteles zuliebe es für praktische Vernunftstätigkeit gehalten habe, so lange zu trainieren, bis ich 10 km in angemessener Zeit laufe. Die Liste der theoretischen Tätigkeiten wird auch immer länger: bezahlbare Fortbildungen suchen, Steuererklärung für 2009 machen, Bewerbungen schreiben, meine Fremdsprachenkenntnisse aufpolieren und, und, und. Wenn ich ehrlich bin, schaffe ich es nie ganz, ihm meinen ganzen Widerstand entgegen zu setzen. Auch wenn ich, seit ich denken kann, bisher schon ganz viel versucht habe.
Nach dem Abitur haben viele meiner Klassenkameraden erstmal den Sommer genossen. Ich habe beinahe ohne Übergang mein erstes Praktikum in einer Zeitschriftenredaktion absolviert. In den Semesterferien habe ich gearbeitet. Nach meinem Uni-Abschluss hatte ich mal für ungefähr sechs Woche weder Beschäftigung noch irgendeine Perspektive. Den depressiven Schub konnte ich ohne schwere Medikamente in den Griff bekommen. Als der Wechsel zwischen meinem vorletzten und meinem letzten Arbeitgeber anstand, habe ich mir meinen Resturlaub auszahlen lassen und bin übergangslos in die neue Firma gewechselt. Aristoteles, jetzt mal ehrlich: Es reicht langsam! Meine Arbeits-Losigkeit sichert mir meine existentiellen Grundbedürfnisse. Ich habe die Zeit, auch mal für eine Stunde länger als ursprünglich geplant, ein Buch zu lesen. Ich könnte mir die freie Zeit wirklich sehr angenehm gestalten. Stattdessen gebe ich ihm viel zu leicht nach. Denn auch wenn mir schwer fällt, das jetzt zu schreiben: Der Alte hat leider Recht! Wenn die Ausübung einer Vernunftstätigkeit fehlt, kommt auch ein Stück vom Glück abhanden. Dann ergeht es Menschen im schlimmsten Fall wie meiner Freundin V.. Eine Aufgabe zu haben, bringt Menschen wie T. oder A. oder viele andere in ungeahnte Sphären des Glücksempfindens. So auch mich. Nach jahrelanger inspirationsloser Blockade, für die ich wenigstens noch bezahlt wurde, kann ich jetzt langsam wieder bei vielen Möglichkeiten das Glück empfinden, meinen erlernten Beruf anwenden zu können. Mal sehen, was da noch kommt. Ich bin gespannt.

Mittwoch, 16. Juni 2010

Champagner-Feeling

Es war einer dieser Abende, die ein kleines bißchen Magie innewohnte. Ich war mit T. im Kino, der Film war unbeschreiblich schön und ich bin mit diesem flirrenden Perlwein-Gefühl im Magen in die Münchner Nacht gegangen. Während dessen habe ich mich mit T., meinem Kinobegleiter, unterhalten.
T. und ich teilen gerade mehr oder weniger unseren Beschäftigungsstatus und unsere bedingungslose Liebe zum bewegten Bild. Euphorisiert von der gemeinsam empfundenen Begeisterung für den Film, den wir gerade besucht haben, begann T. mir von seinen Film-Plänen in nächster Zukunft zu erzählen: Welche spanischen Streifen er doch in nächster Zeit gucken möchte, ob ich denn schon, ich müsste doch, und überhaupt sollte ich ... "Warum machst Du eigentlich keinen Film-Blog?" fragte ich ihn eher beiläufig aber doch so unvermittelt, dass ich ihn mitten im Satz unterbrach. Meine kleine, eher unkalkulierte Unhöflichkeit hatte große Effekte auf T.: Er schnappte kurz Luft, erzählte mir von ersten, elektronischen Gehversuchen und lächelte, als ich ihm diese Seite empfohlen habe. "Dann mach ich einen Film-Blog" waren die Worte, mit denen er sich von mir verabschiedete. T. sah so aus, als würde er sich wie Champagner fühlen, zumindest für einen ganz kurzen Moment.
Wenige Tage zuvor hatte ich A. getroffen. A. gehört zum innersten Kreis meiner besten Freunde, sie ist eine der wenigen Menschen, die ich wenn nötig mit Waffengewalt verteidigen würde, was bei einem Pazifisten wie mir, der an die Kraft des Wortes glaubt, wirklich viel bedeutet. Wir sehen uns nicht häufig, weil sie in einer anderen Stadt wohnt. Aber jedem der seltenen Besuche wohnt ein kleiner Zauber inne: Scheinbar mühelos gelingt es uns, unsere aktuellsten Erlebnisse in eindrucksvoller Resümeé-Essenz dem anderen so zu präsentieren, als wäre die Zeit, in der wir uns nicht gesehen haben, gemeinsam verlaufen. A.s Erzählungen beeindruckten mich nachhaltig, denn sie verfolgt mit einer glasklaren Zielstrebigkeit mit einem beeindruckend langen Atem gegen jede Widerstände ein aktuelles Projekt: A. will Geld für ihren nächsten Film auftreiben. Als sie mir von aktuellen Verhandlungen erzählt, sehe ich dieses Champagner-Feeling in ihren Augen.
T.s und A.s Reaktionen führen beide aus unterschiedlichen Richtungen auf die selbe Ausgangssituation hin. Beide können mit den selben Dingen inspiriert werden. Und zwar würde ich so weit gehen, zu behaupten, dass sowohl A. als auch T. im Zweifelsfall locker über sich selbst hinaus wachsen könnten. Nur A. hatte ihre Inspirationsquelle bisher zum Beruf gemacht, und auch T. hat in allerkürzester Zeit eine Kurzkritikseite mit Schulnoten angelegt, die rasend schnell wachsen wird, so gerne wie er sich mit dem Thema Film auseinandersetzt. Was die Zukunft für beide bringt, wird sich zeigen. Fest steht, dass A. und T. Freude an ihrer Beschäftigung empfinden können, was sie wiederum zu zufriedenen Menschen macht. Und darauf erhebe ich, die Chronistin, jetzt erstmal mein Glas!

Montag, 7. Juni 2010

Erwerbsbiographien und andere Schätze

Mich faszinieren einzelne Wörter. Ich kann mich an "Humbug" ergötzen, an "Sperrklausel" erfreuen und ständig finde ich neue, verbale Schätze. Mein neuestes Juwel ist "Erwerbsbiographie".
Eine große Gruppe Menschen, die ihr Selbstbewußtsein auf dem Treibsand ihrer Minderwertigkeitskomplexe gebaut haben, stellen ihr Berufsleben großspurig in so genannten CVs dar. Immer wenn ich solchen Menschen begegne, reizt es mich, sie zu fragen, ob sie wüssten, wofür die Abkürzung CV steht. Die Ausfallquote bei dieser Antwort ist wahrscheinlich erschreckend hoch. Schließlich kann ja nicht jeder von Anglizismen ("Si Wi") auf das lateinische Curriculum Vitae schließen. Dann doch lieber das hübsche, deutsche "Lebenslauf" - der Lauf des Lebens mit nur und ausschließlich erwerbsrelevanten Eckdaten auf wenigen Seiten Papier! Die erschreckende Dimension dieses Umstandes mit der ganzen Wucht ihrer Bedeutungstiefe muss man ganz langsam und mit aller Macht auf sich einwirken lassen. Hiermit plädiere ich dafür, die wichtigsten Eckdaten wie die Geburt des ersten Kindes aus dem Nicht-Erwerbsleben in einen konsequent geführten Lebenslauf aufnehmen zu dürfen!
Und hier die heutige Ausgangsfrage: Welche Bedeutung hat Erwerbsarbeit für den einzelnen Menschen? Viele, zu viele nehmen sich an dieser Stelle das Lebenslauf-Konzept zu Herzen: Das eigene Leben wird zur Anhäufung erwerbsrelevanter Eckdaten. Zu viel Zeit wird mit CV-Tuning und zu wenig mit echter Sinn-Suche verbracht. Und so kommt es, dass viel zu viele gescheiterte Lebensläufe im Alkohol, in der Depression oder im Selbstmord enden. Denn alles auf eine Karte zu setzen, geht nur im Film gut aus.
Dann doch lieber die Erwerbsbiographie. Meine Fantasie sendet mir bei diesem wunderschönen Wort folgenden Kurzfilm an mein inneres Auge:
Ich sitze, biblisch alt und mit einer sorgsam gepflegten, exzentrischen Schrulle in meinem Wohnzimmer, in dem ein überbordendes Bücherregal steht. Zwei Bücher in diesem Sammelsurium behandeln mich, denn ich habe bis dahin einen Weg gefunden, mir zwangsweise irgendeine, in Buchform gegossene Bedeutung zuzumessen. Buch eins ist meine Biographie. Früher durften nur große Menschen ab einem gewissen Alter eine Biographie verfassen. Heute gibt es schon Lebensbücher über 19jährige. Warum also soll in meinem Kurzfilm in der Zukunft auch nicht meine eigene Biographie vorkommen? Daneben steht ein Buch mit dem Aufdruck "Meine Erwerbsbiographie"; die meinen beruflichen Werdegang von den Anfängen bis zum meinem 95-jährigen Eintritt ins gesetzliche Rentenalter beschreibt. Bis dahin werde ich in meiner Fantasie übrigens die Stellung einer Art Noelle-Neumann für arme Leute in meiner Zunft eingenommen haben; eine schlechte Kopie des Originals, aber meine Kamerastatements werden lustiger.
Ich kann, werde und will heute nicht die Frage beantworten, welche Bedeutung Erwerbsarbeit für mein Leben hat. Obwohl das Fehlen derselben gut auf die Antwort hinführen könnte. Ohne Erwerbsarbeit hat man im schlechtesten Fall kein Einkommen zur Sicherung seines Lebensunterhalts. Also ist Erwerbsarbeit erstens Existenzsicherung. Aber was ist sie darüber hinaus? Ich erinnere mich noch gut, was sie bis ungefähr ins Jahr vier meiner Berufstätigen-Karriere bedeutet hat: Spaß, intellektuelle Inspiration und Erfolg. Ich spürte ein loderndes Feuer in mir und meine Anstellung war wie ein Blasebalg, der das Feuer immer und immer wieder anfachte. Schlußendlich entschied man sich dafür, dass ich zu Dingen, die ich gut und gerne hätte lernen können, nicht befähigt wäre. Meinen Platz nahm jemand ein, der ein Vielfaches mehr lernen musste. Ob er loderte, ist nicht überliefert.

Mittwoch, 26. Mai 2010

Buchstaben atmen

Beinahe zwei Jahre lang reiste mit mir ein Mischwesen aus Frau und Reh, das mich mit kugelrunden, braunen Augen ansah, wenn ich neben ihm stand. Eines Tages entdeckte ich im Gewühl beim Einsteigen einen Wolfsmann, weshalb ich mir ernsthaft Sorgen um die Rehfrau zu machen begann. Völlig unnötig, wie sich später herausstellte, denn die Rehfrau hatte ich nach einiger Zeit wieder regelmäßig gesehen. Der Wolfsmann hingegen blieb für immer verschwunden. Willkommen im öffentlichen Personennahverkehr! Für aufmerksame Beobachter beginnt hier eine fantastische Reise in fremde Welten. Vielleicht beginnt der U-Bahn-Fantasietrip mit einem guten Buch. Zumindest machen mir viele Mitreisende diesen Eindruck. Viele Menschen lesen in öffentlichen Verkehrsmitteln, als ob sie die Buchstaben atmen müssten. Dabei ist es völlig egal, woher sie ihren mehr oder weniger literarischen Sauerstoff herbekommen.
Am lustigsten sind die Romanleser. Manche Bücher fesseln ihre Konsumenten so, dass sie bei der Endhaltestelle nicht aufhören können. Dann steigen sie mit dem Buch vor der Nase auf den Bahnsteig und lesen einfach gehend weiter. Ich halte es in solchen Situationen für meine Chronisten-Pflicht, sich ereignende Unfälle, Stürze und Verletzungen zu dokumentieren. Aber irgendeine Macht leitet sie wohlbehalten an ihren Arbeitsplatz, wo die Romanleser wahrscheinlich in der Mittagspause sofort das Buch wieder zur Hand nehmen.
Aber auch Sportteile, Akten, Unterlagen und ganze Zeitungen werden aufgesogen. Ein interessanter Zeitvertreib beim U-Bahnfahren ist etwas, was ich hier "Lese-Hellsehen" nennen möchte. Sobald jemand im eigenen Sichtfeld beginnt, in mitgebrachten Taschen zu wühlen oder an Mänteln zu nesteln, muss der Lese-Hellseher vorhersagen, was die Testperson gleich lesen wird. Komischerweise bin ich bisher noch nie von meinen Testpersonen überrascht worden. Ich
hatte sowohl das Computer-Fachmagazin beim leicht übergewichtigen Nerd als auch die Klatschzeitschrift bei der Frau mit den Kunstnägeln schon vorausgeahnt. Wer jetzt einwendet, das sei ja auch keine Kunst, sollte sich in einer ruhigen Minute darüber Gedanken machen, wieviel Macht Vorurteile und Kategorie-Denken über die eigene Vorstellungswelt haben.
Der lesende Mensch hat in Bus und Bahn immer Dokumente zur eigenen Erbauung in der Hand, egal ob er sie im Moment langweilig oder interessant findet. Komischerweise konnte ich aber noch nie transzendentale Erbauungsliteratur finden. Liest jemand im Münchner Untergrund die Bibel? Steigt jemand in die Trambahn und blättert während der Fahrt im Koran? Ich kann mir nur vorstellen, dass die Benutzung des öffentlichen Personennahverkehrs ein zu trivialer Vorgang ist, um während dessen in so heiligen Büchern zu lesen. Allerdings schert sich Gott, Allah oder welchen Namen ihm die Menschen auch geben, auch sicher nicht um Trivialität.

Dienstag, 25. Mai 2010

Grüß Gott in München, bei uns wird gegrantelt!

Wer aufmerksam U- oder S-Bahn fährt, bekommt mit seinem Ticket auch eine aufregende Vorstellung geboten: Die Mitreisenden geben sich alle Mühe, ihr Entertainment-Programm dem geneigten Beobachter völlig kostenfrei anzubieten. Und dabei benötigt man gar nicht unbedingt Großereignisse wie den Ökumenischen Kirchentag. Aber unterhaltend sind diese trotzdem.
Der ÖKT, wie er mit dem Anschein von Fachsimpelei abgekürzt wurde, spülte eine Flut glücklicher Menschen nach München. Die Besucher des Kirchentages erweckten in mir persönlich den Eindruck, für sie sei die Fahrt nach München mit einer Reise nach Hawaii vergleichbar, die sie in einem Preisausschreiben gewonnen hatten. Die vielzitierte "Weltstadt mit Herz" platzte aus allen Nähten vor orange beschalten, selig lächelnden, manchmal etwas weggetretenen Christenmenschen.
Ich habe mich oft gefragt, welches Genie im Tourismusbüro den Slogan "Weltstadt mit Herz" erfunden hat. Für mich ist das Synonym für meine Heimatstadt ein herrlicher Euphemismus, der wahrscheinlich auch letzten Endes dafür gesorgt hat, dass München den ÖKT ausrichten durfte. Ich will hier keine Diskussion darüber beginnen, ob München tatsächlich eine Weltstadt ist. Meine Aufmerksamkeit gilt heute der vermeintlichen Herzlichkeit und der Frage, wie sie mit dem Münchner Grant vereinbar ist, der auch vor selig lächelnden ÖKT-Besuchern nicht halt macht.
Einen Tag vor Christi Himmelfahrt spuckte eine völlig überfüllte U2 eine Frau mittleren Alters, eine Gruppe Jugendlicher mit eindeutig norddeutschem Zungenschlag und mich auf den Bahnsteig am Sendlinger Tor. Das zügige Umsteigen in die U3 oder die U6 ist auch unter ganz normalen Umständen eine sportliche Leistung, die Planung, Disziplin und Reaktionsschnelligkeit erfordert. Besucher können das zügige Umsteigen erschweren. Kirchentagsbesucher können es unmöglich machen, wie sich schnell zeigen sollte.
Die Dame mittleren Alters und ich wussten: Wer Rolltreppen benutzen will, muss links gehen und rechts stehen. Die norddeutschen Jugendlichen standen links und versperrten so der Dame den Weg zu ihrem Anschlusszug. Lautstark versuchte erst sie und dann wir beide gemeinsam, die Jugendlichen um ein wenig Platz zu bitten, damit die Dame vorbei konnte. Doch unsere dialektgefärbten Anreden wurden nicht erhört. Erst ein deftiger Fluch zog die Aufmerksamkeit des ÖKT-Pulks auf sich. Im Nachhinein betrachtet ist es ja eigentlich völlig logisch, dass Kirchentags-Besucher auf "Kreizkruzifix!" reagieren. Die Dame, die vorbei wollte, nutzte die überraschte Stille für den schönen, lautstark vorgetragenen Satz : "Grüß Gott in München, bei uns werd grantelt!" Wer braucht da noch Kino, TV oder ein gutes Buch, wenn er stattdessen solche Szenen erleben darf?
Der Grant, oder auch hochdeutsch die schlechte Laune, erfasste beim Thema ÖKT auch einige Neu-Münchner aus meinem Bekanntenkreis. M., der eigentlich aus einem Nest aus der Gegend von Ulm stammt und der seit seinem Studium München mit seiner Anwesenheit beehrt, grantelte nach Ende des Kirchentages noch volle drei Tage lang. Denn vom 12. bis zum 16. Mai geriet er, immer wenn er mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs war, an verschiedene Gruppen von glücklich lächelnden, beseelten (siehe oben) ÖKT-Besuchern, die zum Klang von Gitarren erbauliche Lieder mit christlichem Inhalt sangen und ihn wohl oder übel zum Zuhören nötigten. Seine Übellaunigkeit, die wir Münchner hegen, pflegen und zu zelebrieren wissen, stand ihm bestens zu Gesicht und reinigte seine Seele.

Sonntag, 9. Mai 2010

Work Limited Deluxe Edition

Neulich im Netz: ein großes Online-Handelsportal schickte mir die neuesten Musikempfehlungen per Mail. Meine Betreffzeile sah demnach so aus: "Get now: Work (Ltd. Deluxe Edition)" Ist natürlich in meiner Situation nicht ganz ohne Ironie. Allerdings könnte meine Erwerbszukunft ja durchaus im Netz liegen. Eine Akademie in meiner Heimatstadt München bildet Menschen wie mich zum Social Media Manager aus. Ich brauche nur noch jemanden, der mir die knapp 2.000 Euro Kursgebühr bezahlt. In meiner Zunft könnte sich eine Zusatzqualifikation als Social Media Manager also durchaus lohnen. Allerdings könnte ich auch ...
In Situationen wie diesen stehen mir eigentlich alle Möglichkeiten offen. Gleichzeitig habe ich keinen blassen Schimmer, wie es weitergehen soll. Als Statusmeldung, um bei der Netzanalogie zu bleiben, wäre also "irritierterfreut" oder "glücklichratlos" sehr passend. Es kostet allerdings sehr viel Überwindung, sich "irritierterfreut" im notwendigen und gleichzeitig völlig unnötigen Gespräch mit der Personalabteilung nicht anmerken zu lassen. "Glücklichratlos" durch das Arbeitsamt, Verzeihung - durch die Arbeitsagentur zu irren, ist auch nicht unbedingt zielführend.
Aber was sollte eigentlich zielführend sein im Jahr 2010? In den letzten zwei Jahren huschten morgens wie abends die Stein gewordenen Vorstadt-Träume an mir vorbei. Beziehungsweise das, was nach dem Kreditgespräch mit der Bank davon übrig blieb. Ich gehörte auch kurz zu denen, die kurz auf diese Stein-Träume zu hoffen und zu planen wagten und war mir vermeintlich auch schon im Klaren, wieviel Vorstadt für mich akzeptabel wäre. Die Realität ist gut motorisiert, so schnell wie sie einen einholen kann. Jetzt muss ich erstmal etwas finden, was für mich Lebensunterhalt, Berufung und Beruf gleichzeitig sein kann.
Ist eigentlich der Job des Stadt-Beobachters schon vergeben? Wenn nicht, möchte ich, wie es im schönsten Bewerberdeutsch heißt, "im Folgenden großes Interesse signalisieren". Denn wer mit offenen Augen und Notizheft in der Hand nur vom Marienplatz zum Stachus läuft, hat an guten Tagen schon Stoff für Romane. Und wer aufmerksam U- und S-Bahn fährt, erst recht.

Freitag, 16. April 2010

Die Kunst, in Massen zu verschwinden

Hätte mich einer meiner Lieblingsautoren, Haruki Murakami, letzte Woche während, vor und direkt nach meiner Arbeitszeit beobachtet, er hätte mich in eine Parallelwelt hinein geschrieben. Denn letzte Woche war ich beinahe verschwunden. Wer mich sieht, spricht mir sicher eine gewisse physische Präsenz zu. Die Frage lautet jetzt natürlich, wie ich das mit dem Verschwinden trotzdem bewerkstelligt habe. Nun, die Antwort hierauf ist eigentlich ganz einfach.
Der Profi-Pendler erkennt schnell, wie leicht man in einer großen Masse aufgehen kann. Stündlich ergießt sich an großen Umsteigebahnhöfen ein Menschen-Brei über die Rolltreppen und fließt zäh zwischen S- und U-Bahnen hin und her. Die Kunst ist es, sich dieser Masse bis zur Selbstaufgabe anzupassen; eins mit ihr zu werden wie eine kleine Makrele in einem großen Schwarm. Nützliche Hilfsmittel sind je nach Wetterlage Sonnenbrille oder schwarze Lederhandschuhe, weil sie Augen und Hände, also zwei wichtige, aussagekräftige Teilbereiche der physischen Identität eines jeden Menschen abdecken. Dazu noch ein ipod in die Ohren zum Sinnesverschluss und schon kann das Verschwinden für normale Menschen ohne besonders exaltierten Kleidungsstil oder hervorstechende, physische Merkmale beginnen.
Verschwundene Menschen sind nicht hilfreich, wenn Fakten geschaffen werden sollen, denn Leuten, die ganz eins sind mit ihrer Umgebung kann man nicht kündigen. In den letzten sieben Tagen, die vergangen waren, nachdem mir mein Chef eröffnet hatte, mir solle gekündigt werden, gelangen mir entscheidende Aufschübe. Denn auf einmal hat die Gegenseite keine festen Hebelpunkte mehr, die mich hinauskatapultieren sollen aus dem grauen Büro-Zweckbau im Münchner Umland. Doch dafür muss ich weiterhin samtpfotig verschwunden bleiben. Ein kurzes Aufblitzen meiner Konturen kann im Zweifelsfall ein sofortiges Entfernen bedeuten.

Freitag, 9. April 2010

Fast zwei Jahre Profi-Pendler

Heute früh um 08:50 Uhr habe ich wie fast jeden Tag in den letzten zwei Jahren am U-Bahnhof meines Wohnorts in München die Bahn bestiegen. Es war ein neues Modell, ganz in blau und mit laut trötendem Alarm, der immer dann ertönte, wenn die Automatenstimme "Zurückbleiben bitte!" geschnurrt hat. Um 08:57 Uhr bin ich aus dieser blauen U-Bahn ausgestiegen. Mein Blick fiel wie immer auf die Digitaluhr an meinem Umsteigebahnhof, denn wie immer bin ich in den letzten Wagen eingestiegen, um wie immer keine wertvolle Zeit zu verlieren, die mich davon abhalten könnte, die Anschluß-S-Bahn, die mich zu meinem Arbeitsplatz bringt, zu verpassen. Um ca. 15:30 Uhr hat mein Chef heute mein Büro betreten. Mein Arbeitsplatz ist in einem zweckbauartigem Bürogebäude einer Firmenzentrale im Münchner Umland. Die Teppiche sind grau und die Wände direkt neben der Damentoilette wurden erst vor kurzem frisch gestrichen. Ungefähr um 15:34 Uhr wußte ich, dass mir betriebsbedingt gekündigt wird.
Termin bei der Personalabteilung, Betriebsrat, Anruf bei meinem Lebensgefährten, SMS an meinen Freundeskreis - die nächsten Schritte erledigte ich so routiniert, wie ich jeden Morgen in den vergangenen Jahren die Haltestellen ansteuerte. Ich zähle mich selbst zu den emotionalen Bauchmenschen. Wenn sich Gefühle in mir regen, dann sind sie echt. Trauer-Tränen, weihnachtsartige Vorfreude oder Wut, die einen alles andere vergessen lässt: All das ist mir genauso zueigen und Teil von mir selbst wie die Farbe meiner Haare oder die Form meiner Nase. Um ziemlich genau 16:00 Uhr öffneten sich S-Bahn-Türen und ihre Hydraulik klang in meinen Ohren wie ein tiefer, stoßartiger Seufzer. Ich stieg ein und in mir begann sich eine weiche, flatternde Erleichterung breit zu machen. Um 16:26 Uhr stieg ich aus der S-Bahn und entschloß mich, ein kleines Stück bis zur nächsten Haltestelle zu laufen. Den ganzen Weg lang habe ich gegrinst wie frisch verliebt und hatte einen federnden Gang, den ich mit kleinen Hüpfern unterstrich.
Die unzähligen Fahrten vorher gab ich oft ein ganz anderes Bild ab: Müde, traurige Augen, die die Tränen manchmal nur mit Mühe zurückhalten konnten. Schmerzende, verspannte Schultern, die zu lange in Hab-Acht-Stellung am Computer angespannt waren. Eine Seele, die nach beruflicher Anerkennung gedürstet hatte wie ein Reisender in der Wüste. Und ein Kopf, der sich mit langen, endlosen Frageschleifen beschäftigte und zwar immer gerne dann, wenn man nicht mehr im Büro aber auch noch nicht ganz zuhause war. Woran liegt es, dass ich mich so unheimlich unwohl fühle? Habe ich bei dem Gespräch mit meinem Chef richtig reagiert oder müsste ich diplomatischer sein? Stelle ich zu hohe Ansprüche an das, was meinen Beruf darstellen soll? Die Fahrzeit, die ich werktäglich unterwegs bin, ergibt bei mir ziemlich genau sechzig Minuten quälendes Frage-Bombardement.
Aber vielleicht war ich ja genau am richtigen Ort; der öffentliche Personen-Nahverkehr ist bei genauer Betrachtung ein Transportmittel voller opernartiger, überkochender Emotionen. Schon mal die U6 aus Fröttmanning benutzt, nachdem TSV 1860 München ein Spiel gewonnen hatte? Schon mal bei der Haltestelle Flughafen München Besucherpark begonnen, in die Gesichter allein Reisender zu sehen? "Wann kommt denn endlich die S-Bahn?" oder "Ich muss echt rennen, sonst verpasse ich noch den Bus." sind nur zwei von unsagbar vielen, möglichen Gefühlsregungen, die ihren Platz tagtäglich im öffentlichen Personen-Nahverkehr finden. Und da gilt nicht nur für München, sondern auch für Berlin, Hamburg, Budapest, Paris, New York, Tokio ...